Was macht ein Funkgerät explosionsgeschützt? – Aufbau und Besonderheiten industrieller Funkgeräte

atex radio

In explosionsgefährdeten Umgebungen zu arbeiten bedeutet, höchste Sicherheitsstandards einzuhalten. Ein einziger Funke, eine Überhitzung oder eine fehlerhafte Komponente kann fatale Folgen haben. Deshalb müssen alle elektrischen Geräte – insbesondere Funkgeräte – speziell entwickelt sein, um selbst in den gefährlichsten Umgebungen sicher betrieben werden zu können. Hier kommen explosionsgeschützte Funkgeräte ins Spiel.

Aber was bedeutet „explosionsgeschützt“ eigentlich genau? Wodurch unterscheidet sich ein solches Gerät von einem herkömmlichen Handfunkgerät? Und was steckt im Inneren, damit es auch unter extremen Bedingungen keine Zündquelle darstellt? In diesem Fachartikel werfen wir einen detaillierten Blick auf die Technik, Normen und Anwendung dieser spezialisierten Kommunikationslösungen.

Was ist eine explosionsgefährdete Umgebung?

Explosionsgefährdete Bereiche (Ex-Bereiche) sind Arbeitsumgebungen, in denen entzündliche Gase, Dämpfe, Stäube oder Flüssigkeiten in einer Konzentration vorkommen können, die bei Kontakt mit einer Zündquelle eine Explosion verursachen kann. Beispiele sind:

  • Chemische Produktionsanlagen

  • Ölraffinerien und Bohrinseln

  • Bergbau (über- und untertage)

  • Getreidesilos, Mühlen, Brennereien

  • Tankstellen und Gefahrgutlager

Zur Risikobewertung werden diese Bereiche in Zonen eingeteilt:

  • Zone 0 – explosionsfähige Atmosphäre ständig vorhanden

  • Zone 1 – explosionsfähige Atmosphäre gelegentlich vorhanden

  • Zone 2 – explosionsfähige Atmosphäre selten und nur kurzzeitig vorhanden

Die Zoneneinstufung ist ausschlaggebend für die Auswahl geeigneter explosionsgeschützter Geräte.

Was bedeutet explosionsgeschützt bei Funkgeräten?

Ein explosionsgeschütztes Funkgerät – auch bekannt als „Ex-Funkgerät“ oder „eigensicheres Funkgerät“ (engl. intrinsically safe) – ist so konstruiert, dass es weder im Normalbetrieb noch bei einem internen Fehler in der Lage ist, eine explosionsfähige Atmosphäre zu entzünden.

Das betrifft nicht nur das robuste Gehäuse, sondern vor allem die interne Elektronik, Energiebegrenzung, Wärmeentwicklung und Funkfrequenzfilterung. Damit ein Funkgerät als explosionsgeschützt gilt, muss es entsprechende Zertifizierungen aufweisen, wie z. B.:

  • ATEX (Europa, Richtlinie 2014/34/EU)

  • IECEx (international anerkanntes Zertifizierungssystem)

  • FM/UL und CSA (Nordamerika)

Zwei Schutzprinzipien: druckfeste Kapselung vs. eigensichere Ausführung

Bei der Entwicklung von Ex-Funkgeräten gibt es zwei etablierte Schutzkonzepte:

Druckfeste Kapselung (Ex-d)

Diese Bauweise sorgt dafür, dass eine mögliche interne Explosion im Gerät eingeschlossen bleibt und sich nicht in die Umgebung ausbreiten kann. Solche Geräte verfügen über ein massives Metallgehäuse mit speziellen Dichtungen und Gewinden. Sie werden häufig in Zone 1 oder Zone 2 eingesetzt.

Eigensichere Ausführung (Ex-i)

Hier liegt der Fokus auf der internen Energiebegrenzung. Das bedeutet: Selbst bei einem Fehler dürfen Strom und Spannung keinen Wert erreichen, der eine Entzündung verursachen kann. Eigensichere Geräte sind besonders für Zone 0 geeignet, also dort, wo das Risiko dauerhaft besteht.

Interner Aufbau eines explosionsgeschützten Funkgeräts

Der Unterschied zu einem Standardfunkgerät liegt vor allem im Inneren:

  • Energiebegrenzte Schaltungen – Spannung und Strom sind so dimensioniert, dass keine Zündgefahr besteht

  • Vergossene oder gekapselte Elektronik – keine freiliegenden leitenden Oberflächen

  • Temperaturüberwachung – automatische Abschaltung bei Überhitzung

  • Funkfrequenzfilterung – um zu verhindern, dass die Antenne zur Zündquelle wird

  • Spezialakkus – mit Entladeschutz, Kurzschlussfestigkeit und nur mit zertifizierten Ladegeräten verwendbar

Wichtige Zertifizierungen und Kennzeichnungen

Beim Kauf oder Einsatz eines Ex-Funkgeräts ist die richtige Zertifizierung entscheidend:

  • ATEX – Europäische Norm, z. B. Kennzeichnung:
    II 2G Ex ib IIC T4 Gb

  • IECEx – Internationales System, häufig gleichwertig mit ATEX

  • FM & CSA – Für USA und Kanada, mit dem Class/Division-System

    • Class I, Division 1 – explosionsfähige Gase ständig vorhanden

    • Class I, Division 2 – nur unter abnormalen Bedingungen vorhanden

Typische Einsatzbereiche

Explosiongeschützte Funkgeräte kommen überall dort zum Einsatz, wo ein Risiko durch zündfähige Stoffe besteht. Häufige Anwendungsbereiche sind:

  • Öl- und Gasindustrie – Offshore-Plattformen, Raffinerien

  • Chemische Industrie – Produktion, Abfüllung, Lagerung

  • Bergbau – sowohl untertage als auch übertage

  • Landwirtschaft & Lebensmittelverarbeitung – Mühlen, Silos, Brennereien

  • Katastrophenschutz & Militär – z. B. Kampfmittelräumdienste

Welche Funktionen bieten moderne Ex-Funkgeräte?

Trotz der Sicherheitsanforderungen sind moderne Ex-Funkgeräte sehr leistungsfähig:

  • Hohe Lautstärke – Verständlichkeit in lauter Umgebung

  • Man-Down-Alarm – automatischer Notruf bei Bewegungslosigkeit

  • Notruftaste (SOS) – zur schnellen Alarmierung

  • Eigensichere Headsets & Zubehör – für sicheren Freisprechbetrieb

  • Hohe Schutzart – meist IP67 oder höher (staubdicht, wasserdicht)

Beliebte Modelle und Hersteller

Einige etablierte Geräte und Marken sind:

  • Motorola MOTOTRBO DP4801Ex – DMR-fähig, ATEX Zone 1/21

  • Hytera PD795Ex – Dual-zertifiziert, robust mit langer Akkulaufzeit

  • Kenwood NX-203EX – Eigensicher, kompatibel mit NXDN

  • Icom IC-F3202DEX – Kompakt, zuverlässig für Chemieanlagen

Worauf ist beim Kauf zu achten?

Die Auswahl des richtigen Ex-Funkgeräts sollte folgende Punkte berücksichtigen:

  • Zoneneinstufung des Einsatzortes

  • Erforderliche Zertifizierung (ATEX, IECEx, FM etc.)

  • Funkstandard (analog, DMR, TETRA, NXDN)

  • Schutzart (IP68) gegen Staub und Wasser

  • Verfügbarkeit von zugelassenem Zubehör

  • Service & Ersatzteile in Ihrer Region

Zukunftstrends bei explosionsgeschützten Funklösungen

LTE & 5G-Konnektivität

Neue Generationen von Ex-Geräten bieten Breitbandfähigkeit, z. B. für:

  • Videoüberwachung in Echtzeit

  • Sensordatenerfassung

  • Ferndiagnose & Wartung

  • Push-to-Talk-over-Cellular (PoC)

Ex-Android-Smartphones und Tablets

Spezialisierte Hersteller bieten heute robuste eigensichere Mobilgeräte mit Android-Betriebssystem für Industrieanwendungen wie:

  • Wartungssoftware

  • Digitale Checklisten

  • Standortüberwachung

IT- & Netzwerksicherheit

Moderne Geräte unterstützen:

  • AES-256-Verschlüsselung

  • Remote-Management

  • VPN-Verbindungen

  • Zwei-Faktor-Authentifizierung

Akkutechnologie

Innovationen wie Festkörper-Akkus versprechen mehr Sicherheit, längere Laufzeit und weniger Hitzeentwicklung – ideal für Ex-Bedingungen.

Explosionsgeschützte Funkgeräte sind High-Tech-Kommunikationslösungen für die härtesten Arbeitsumgebungen der Welt. Sie kombinieren technische Präzision, internationale Sicherheitsstandards und praxisorientierte Robustheit.

Diese Geräte ermöglichen sichere Kommunikation unter Extrembedingungen, ohne zusätzliches Risiko zu schaffen. Ob im Bergbau, in Raffinerien oder bei der Gefahrenabwehr – Ex-Funkgeräte sind unverzichtbar für sichere, verlässliche Teamarbeit.



Die in diesem Beitrag verwendeten Bilder stammen entweder aus KI-generierter Quelle oder von lizenzfreien Plattformen wie Pixabay oder Pexels.

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