Der Raspberry Pi ist weit mehr als nur eine kleine Platine mit Anschlüssen. Es ist die Geschichte einer einfachen Idee, die in einem Klassenzimmer in Cambridge geboren wurde und Millionen von Menschen weltweit inspiriert hat. Seit 2012 wurde dieser preiswerte Minicomputer in Kreditkartengröße zig Millionen Mal verkauft und ist zu einem unverzichtbaren Werkzeug für Schüler, Bastler, Ingenieure und sogar Raumfahrtagenturen geworden.
In diesem Artikel werfen wir einen umfassenden Blick auf die Geschichte des Raspberry Pi: warum er entwickelt wurde, wie er sich weiterentwickelt hat, welche Rolle er in Bildung und Industrie spielt und warum er für die Zukunft der Technologie so wichtig ist.
Das akademische Problem, das den Raspberry Pi inspirierte
Anfang der 2000er Jahre stellten Informatik-Dozenten der Universität Cambridge etwas Beunruhigendes fest: Studienanfänger verfügten über deutlich weniger Programmierkenntnisse als ihre Vorgänger. In den 1980er und 1990er Jahren lernten Kinder mit Computern wie dem BBC Micro, dem Commodore 64 oder dem ZX Spectrum zu programmieren. Diese Geräte luden zum Tüfteln ein – man schrieb eigenen Code, experimentierte mit der Hardware und entwickelte ein natürliches Verständnis für Informatik.
Die neue Generation wuchs dagegen mit Windows-PCs, Spielekonsolen und Smartphones auf – perfekt für den Konsum, aber kaum geeignet zum Experimentieren. Viele konnten Computer bedienen, hatten jedoch kaum Einblick in deren Funktionsweise.
Für Eben Upton und seine Kollegen war das ein Weckruf. Sie wollten ein modernes Pendant zum BBC Micro entwickeln – einen günstigen, programmierbaren Computer, den jedes Kind nutzen konnte.
Die Gründung der Raspberry Pi Foundation
2008 wurde die Raspberry Pi Foundation als gemeinnützige Organisation in Großbritannien gegründet. Ihr Ziel war klar: Informatikbildung fördern, digitale Kompetenzen weltweit zugänglich machen und eine Community rund um günstige Hardware aufbauen.
Der Name war bewusst gewählt: „Raspberry“ folgte der Tradition von Frucht-Namen in der Computerwelt (Apple, Acorn), und „Pi“ stand für „Python Interpreter“, da Python als ideale Programmiersprache für Einsteiger gesehen wurde.
Von Beginn an war klar, dass es nicht nur um Hardware gehen würde. Der Raspberry Pi sollte eine Bewegung auslösen, die Menschen dazu bringt, selbst zu lernen, zu bauen und Wissen zu teilen.
Prototypen und erste funktionsfähige Modelle
Die ersten Prototypen waren noch sehr einfach, aber sie zeigten: Die Idee war machbar. Der entscheidende Durchbruch kam, als Eben Upton beim Chip-Hersteller Broadcom den BCM2835-Prozessor fand – günstig, ARM-basiert und mit brauchbarer Grafikleistung. Damit war ein kleiner, vollwertiger Computer für unter 30 € realisierbar.
2011 wurde ein Video veröffentlicht, das einen Prototypen beim Spielen von Quake III Arena zeigte. Die Reaktionen im Internet waren überwältigend. Ein 25-€-Computer, der 3D-Grafik konnte? Die Nachfrage war sicher, noch bevor das Gerät offiziell erschien.
Der Start des Raspberry Pi Model B
Am 29. Februar 2012, einem Schalttag, kam das Raspberry Pi Model B auf den Markt. Es bot:
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ARM11-CPU mit 700 MHz
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256 MB RAM (später auf 512 MB erhöht)
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HDMI- und RCA-Ausgang
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Zwei USB-Ports
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Ethernet-Anschluss
Der Preis lag bei rund 35 €, und die erste Serie war innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Die Nachfrage war so groß, dass die Websites der Distributoren unter der Last zusammenbrachen. Zum ersten Mal konnte man einen vollwertigen Computer für weniger als ein aktuelles Videospiel kaufen.
Die Entwicklung der Raspberry-Pi-Modelle
Seitdem hat der Raspberry Pi mehrere Generationen durchlaufen, jede leistungsfähiger und vielseitiger als die vorherige.
Raspberry Pi 1 (2012–2014)
Die erste Welle bestand aus den Modellen A, B, A+ und B+. Sie boten bis zu 512 MB RAM und führten den berühmten 40-Pin-GPIO-Anschluss ein, der Bastelprojekte erst richtig möglich machte.
Raspberry Pi 2 (2015)
Mit einem Quad-Core Cortex-A7 und 1 GB RAM war er sechsmal schneller als der erste Pi. Zum ersten Mal wirkte der Mini-Computer wie ein vollwertiger PC. Preis: ca. 35 €.
Raspberry Pi 3 (2016–2018)
Er brachte 64-Bit-Rechenleistung, integriertes WLAN und Bluetooth. Damit wurde der Pi ein echter IoT- und Desktop-Computer. Preis: ca. 35 €.
Raspberry Pi 4 (2019)
Ein riesiger Sprung nach vorn: bis zu 8 GB RAM, USB 3.0, Gigabit-Ethernet und Unterstützung für zwei 4K-Monitore. Preis: zwischen 35 € (2 GB) und 70 € (8 GB).
Raspberry Pi 400 (2020)
Ein Pi 4 im Tastaturgehäuse, inspiriert von Heimcomputern der 1980er Jahre. Preis: ca. 65–70 €.
Raspberry Pi 5 (2023)
Das bisher leistungsstärkste Modell: Cortex-A76-CPU mit bis zu 2,4 GHz, ein eigener RP1-I/O-Chip, PCIe-Unterstützung und bessere Grafikleistung. Preis: zwischen 55 € (4 GB) und 75 € (8 GB).
Vergleichstabelle der Raspberry-Pi-Modelle
Modell & Jahr | CPU | RAM | Wichtige Merkmale | Preis bei Markteinführung |
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Raspberry Pi 1 Model B (2012) | ARM11, 700 MHz | 256 → 512 MB | HDMI, 2× USB, Ethernet | 35 € |
Raspberry Pi 1 A / A+ (2013–2014) | ARM11, 700 MHz | 256 → 512 MB | Energiesparend, 1× USB, kein LAN | 25 € |
Raspberry Pi 2 Model B (2015) | Quad-Core Cortex-A7, 900 MHz | 1 GB | 6× schneller als Pi 1, 4× USB | 35 € |
Raspberry Pi 3 Model B (2016) | Quad-Core Cortex-A53, 1,2 GHz | 1 GB | WLAN & Bluetooth integriert | 35 € |
Raspberry Pi 3 Model B+ (2018) | Quad-Core Cortex-A53, 1,4 GHz | 1 GB | Schnelleres WLAN, besseres LAN | 35 € |
Raspberry Pi 4 Model B (2019) | Quad-Core Cortex-A72, 1,5 GHz | 2–8 GB | Dual-4K, USB 3.0, Gigabit-Ethernet | 35–70 € |
Raspberry Pi 400 (2020) | Quad-Core Cortex-A72, 1,8 GHz | 4 GB | Tastaturformfaktor, 2× HDMI | 70 € |
Raspberry Pi Zero (2015) | ARM11, 1 GHz | 512 MB | Winzig, 1× Mini-HDMI | 5 € |
Raspberry Pi Zero W (2017) | ARM11, 1 GHz | 512 MB | WLAN und Bluetooth | 10 € |
Raspberry Pi Zero 2 W (2021) | Quad-Core Cortex-A53, 1 GHz | 512 MB | 5× schneller als Zero, WLAN & BT | 15 € |
Raspberry Pi 5 (2023) | Quad-Core Cortex-A76, 2,4 GHz | 4 oder 8 GB | PCIe, RP1-I/O-Chip, schnelleres GPU | 55–75 € |
Compute Module Serie (ab 2014) | variabel | variabel | Für Industrieanwendungen | ab 25 € |
Raspberry Pi Pico (2021) | RP2040 Mikrocontroller, 133 MHz | 264 KB SRAM | Für Embedded & Elektronik | 4 € |
Sondermodelle und Nebenprojekte
Neben der Hauptreihe brachte die Foundation weitere Varianten heraus:
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Raspberry Pi Zero – der 5-€-Computer, später mit WLAN als Zero W.
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Compute Module – für Industrie und Embedded-Systeme.
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Raspberry Pi Pico – ein Mikrocontroller-Board mit eigenem RP2040-Chip, ideal für kleine Elektronikprojekte.
Der Raspberry Pi und die Maker-Bewegung
Der Pi wurde schnell zum Herzstück der weltweiten Maker-Bewegung. Mit ihm entstanden Retro-Spielkonsolen, Wetterstationen, Smart-Home-Systeme, Roboter, Drohnen und Mediacenter.
Das Besondere: Jeder konnte mitmachen. Dank niedriger Kosten, vielseitiger Einsatzmöglichkeiten und einer riesigen Community wurden Millionen von Menschen zu Erfindern.
Bildung mit dem Raspberry Pi
Die Foundation blieb ihrer Bildungsmission treu. Mit Initiativen wie Code Club und CoderDojo wurden Kinder und Jugendliche weltweit an Programmierung und Elektronik herangeführt.
In Entwicklungsländern diente der Pi als günstiger Zugang zu Internet und Bildung, während er in westlichen Schulen Begeisterung für MINT-Fächer weckte. Für viele Kinder war der Raspberry Pi der erste eigene Computer.
Industrie- und Geschäftsanwendungen
Schnell fand der Raspberry Pi auch Einsatz in der Industrie: für digitale Beschilderungen, Kiosksysteme, IoT-Geräte, Fabrikautomatisierung oder Robotik. Start-ups nutzten ihn als Prototyping-Plattform, große Unternehmen setzten ihn in Serienprodukten ein.
Kulturelle Bedeutung
Der Raspberry Pi ist längst eine Ikone. Er wird in Museen ausgestellt, auf Maker-Festivals präsentiert und sogar von NASA-Experimenten auf der ISS eingesetzt.
Bis 2025 wurden über 50 Millionen Einheiten verkauft – damit gehört der Pi zu den erfolgreichsten Computern aller Zeiten.
Herausforderungen und Kritik
Natürlich lief nicht alles glatt. Lieferengpässe, besonders während der COVID-19-Pandemie, machten den Kauf zeitweise schwierig. Konkurrenz durch Arduino, BeagleBone oder Nvidia Jetson ist stark. Und trotz Einsteigerfreundlichkeit bleibt Linux für manche Nutzer eine Hürde.
Doch die Foundation reagierte mit besseren Dokumentationen, neuen Hardwaremodellen und starker Community-Unterstützung.
Blick in die Zukunft
Die Geschichte des Raspberry Pi ist noch lange nicht zu Ende. Künftige Modelle werden mehr Leistung, bessere GPUs und stärkere KI-Fähigkeiten bieten. Die Compute-Module gewinnen in der Industrie an Bedeutung, und der RP2040-Chip hat eine ganze Mikrocontroller-Familie angestoßen.
Gleichzeitig bleibt die Bildungsmission zentral: Kinder auf der ganzen Welt sollen Zugang zu digitaler Kreativität haben.
Warum der Raspberry Pi wichtig ist
Der Raspberry Pi steht für die Idee, dass Technologie offen, günstig und für jeden zugänglich sein sollte. Er senkte die Einstiegshürden für Programmieren, Elektronik und Innovation.
Von Cambridge bis in den Weltraum hat der Raspberry Pi bewiesen, dass eine kleine Platine große Veränderungen bewirken kann. Er ist nicht nur Hardware – er ist eine Bewegung, eine Community und eine Revolution in der Welt der Computer.
Die in diesem Beitrag verwendeten Bilder stammen entweder aus KI-generierter Quelle oder von lizenzfreien Plattformen wie Pixabay oder Pexels.
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